Die Flaschen von nebenan.

Der Smoothie-Hersteller “true fruits” erobert gerade den österreichischen Markt mit einer Werbekampagne, die sehr viel Aufmerksamkeit erregt hat. Die eingesetzten Marketing Strategien sind mehr als diskussionswürdig, doch die Rechtfertigung des Unternehmens ist das eigentliche Armutszeugnis.

Was denken Sie, wenn Sie das folgende Plakat sehen?

Der Wink mit dem Zaunpfahl zur Flüchtlingssituation an Europas Grenzen ist relativ offensichtlich, denn warum sollte es diese Flasche der Firma true fruits nicht über irgendeine “Grenze” schaffen? Bewirbt man damit doch immerhin die Erschließung des österreichischen Marktes.
Im Zuge dessen handelt es sich um eine durchdachte Werbekampagne, die die eigene Promotion mit der gesellschaftlichen Diskussion um Flüchtlinge in Verbindung bringen möchte.
Ein anderer Banner spricht generelle Klischees gegenüber Ausländern in Österreich an. Die schwarz/rot/gelbe Zusammenstellung der Flaschen lässt den Fokus eher auf deutsche Ausländer lenken, die in Österreich schon einmal mit ein wenig Argwohn betrachtet werden, gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation im Jahre 2015. Das konservativere Österreich geriet aufgrund der Geschehnisse fast in die Fänge eines rechtspopulistischen Präsidenten.

Nun mag man meinen:
“Wer spielt denn da so zynisch mit rassistischen Klischees!?”
“Ist die Firma true fruits womöglich eine rechtspopulistisch überrannte Nazifirma aus Deutschland?!”
Für diesen Fall hat das Marketingteam vorgesorgt, indem sie auch ein klares Statement gegen Rechtsextremismus in einem der Plakate verarbeitet haben.

Wer also kein Privatleben besitzt, sein Leben einzig allein dem Smoothiekonsum verschrieben hat oder Plakate der Firma true fruits sammelt, wird nun begriffen haben, dass das keine rechtsextreme Meinungsäußerung war, sondern eine zynische Satire über Rechtspopulismus und Rassismus.
So sieht es jedenfalls die Firma true fruits.
Der Unterschied zwischen schwarzem Humor und der Verarbeitung eines solchen Themas in Form von Promotion für ein Fruchtzuckergetränk ist jedoch, dass die Offensichtlichkeit der Satire nicht erkennbar ist. Es sei denn, man kennt alle Plakate dieser Kampagne, da nur ein einziges (von vieren) zeigt, dass es eine Parodie rechten Gedankengutes sein soll.
Das Problem dabei ist: Diese Plakate wurden quasi nie zusammen aufgehangen, sondern typischerweise immer nur einzeln plakatiert, was dazu führt, dass die Intention hinter der Botschaft beliebig umgedeutet werden kann. Auf Twitter oder bei Google lassen sich zahlreiche abfotografierte, einzeln aufgehängte Plakate finden. Auch das Foto auf der Facebookseite von true fruits selbst zeigt lediglich ein Plakat aus der Reihe (mehr dazu gleich im Statement).

Natürlich kann man es so sehen, wie true fruits es gerne sehen möchte.
Nur war es sicherlich nie ihre Absicht zu zeigen, dass Sie es so verstehen, wie es gemeint war.
Und das ist der eigentliche Skandal an dieser Aktion; es ist die alte Masche der bewussten Provokation.
In diesem Fall ausgetragen auf dem Rücken einer politischen Debatte. Und nicht nur das:
Eine Promoaktion ausgetragen auf dem Rücken tausender von Toten, die täglich versuchen das Mittelmeer zu überqueren und dabei oft mit ihrem Leben bezahlen. Plakativ dargestellt von der Firma true fruits mit Hilfe einer schwarzen Flasche, die es nicht schafft eine Grenze zu überqueren.
Nur provokativ und ganz uneigennützig? Ganz im Gegenteil.

Es ist etwas gänzlich anderes, wenn Oliver Welke in der heute show ein solches Plakat zeigen würde, da es im Rahmen einer satirischen Pointe bewusst in eine politische Debatte eingebettet wird und der Zuschauer zuvor durch eine Einleitung zum Thema mit diesem in Kontakt tritt.
Nutze ich eine schwarze Flasche, die die Grenze nicht erreicht, jedoch als einziges Mittel meiner (scheinbaren) Satire, bleibt die Intention im verborgenen. Ohne eine nähere Auseinandersetzung mit dem Urheber entsteht der Eindruck, dass es sich um eine rassistische, menschenverachtende Meinungsäußerung handeln könnte. Der Skandal steht und die Person wird sich zwangsläufig mit true fruits auseinandersetzen müssen, um zu erfahren, ob es sich tatsächlich um Rechtspopulismus handelt.
Seiten wie Hass hilft zeigen beispielsweise täglich, dass derartige zynischen Bilder ebenso gut in rechtsextremen Gruppierungen geteilt werden könnten.

Genau auf diesen Skandal zielt eine solche Aktion ab. Zu provozieren, um anhand der Reaktion Menschen auf das eigene Produkt / den eigenen Markennamen aufmerksam zu machen. Da man sich seinen nicht-rechtsextremen Positionen bewusst ist, bleibt der Schaden relativ gering, schließlich geht es vorrangig darum die Marke an sich bekannter zu machen. Am Ende schreiben auch Smoothie-Verweigerer (wie ich) über diese PR-Aktion und die Rassismus-Finte war erfolgreich.

Das alles wäre ja schon schlimm genug und nicht unbedingt wert darüber zu schreiben. Doch die Firma true fruits setzt noch einen drauf, in dem sie ihre leicht durchschaubare Aktion in einem Statement rechtfertigen möchte.
(Das ganze Statement finden Sie unter https://www.facebook.com/true.fruits.no.tricks/photos/a.157492230913.115358.156833830913/10154981786270914/?type=3&theater )

Liebe true fruits Fans, liebe Hater, liebe neunmalkluge „Vorverurteiler“ & „Vorverurteilerinnen“,

Schon die Einleitung des Statements zeigt, dass true fruits lieber in den Angriffsmodus übergeht, anstatt Sachlichkeit in eine ohnehin schon aufgeheizte Debatte zu bringen.

Manche von Euch waren besorgt oder verärgert (vermutlich aus Unkenntnis und/oder schlichter Dummheit), wir könnten uns dem rechten Ufer zugewandt haben.

Unkenntnis, wenn man nicht alle Plakate der Firma auswendig kennt oder sich überhaupt nicht für sie interessiert.
Oder zu dumm ist, um zu verstehen, dass diese Aktion eigentlich nur Satire war.

Beides ist eine dreiste Anmaßung gegenüber potenziellen Kunden, die zurecht dazu führt, dass viele Leser mit diesem Statement nicht zufrieden sind.
Sie unterstellen Ihnen die Unkenntnis, die Sie haben, wenn Sie ein solches fremdenfeindliches Plakat irgendwo auf der Straße sehen und sich aufregen. True fruits sieht es als offensichtlich an, dass Sie sich mit der Firma und ihren Werbebotschaften als Ganzes auseinandersetzen müssen, um Kenntnis davon zu erlangen, dass es sich eigentlich um Satire handelt.
Und wenn Sie das nicht machen, ja, dann sind Sie für true fruits “schlicht dumm”.
Ist das nicht mal nicht eine positive Außendarstellung eines Lebensmittelherstellers, die Vertrauen schafft?

Andere wiederrum kommen vom rechten Ufer und feiern unsere Kampagne aus falschen Gründen (und/oder aus schlichter Dummheit).

Auch die Rechten waren einfach nur dumm, denn auch Sie haben nicht das Plakat gesehen, dass irgendwo hing und zur Auflösung der drei anderen beitrug.
So einfach ist die Welt.

Eins möchten wir direkt klarstellen:
RASSISMUS UND FREMDENFEINDLICHKEIT FINDEN WIR ZUM KOTZEN.

Oh, wie überraschend! 😉

Trotzdem möchten wir beiden „Gruppen“ danken – nur durch Euer voreiliges Gezeter bekommt unser Anliegen die Aufmerksamkeit, die es benötigt.

Nun werden Sie den unrühmlichen Prozess miterleben, der eine Marketingaktion eines Smoothieherstellers zu einer Herzensangelegenheit mit gesellschaftspolitischer Teilhabe werden lassen soll…
“Voreilig” waren die Reaktionen. Natürlich, mag man doch abwarten, wann in der Tagesschau die Auflösung des politischen Coup zu sehen sein mag… 😉
Denn eigentlich ging es nie darum true fruits irgendwie in aller Munde zu bringen und möglichst viele Menschen im neu erschlossenen Markt “Österreich” an den Markennamen heranzuführen. Neeeeein! Natürlich war es ganz uneigennützig bloß…

Unsere aktuelle Plakatkampagne in Österreich richtet sich nämlich explizit gegen Fremdenfeindlichkeit.

…eine Plakatkampagne gegen Fremdenfeindlichkeit.
Sie waren zu “dumm” das zu verstehen? Keine Sorge, Sie sind da nicht alleine.

Unsere Art, wie wir das Thema angegangen sind, ist zu schwierig und somit für den „einfachen Bürger“ nicht verständlich? Diesen Vorwurf können wir nicht nachvollziehen und es klingt für uns wie „Lasst uns nur Witze für Dumme machen, es soll ja jeder lachen dürfen“. So sind wir nicht & so werden wir auch niemals sein.

Natürlich wird nun ganz geschickt eine Meinung Dritter eingebaut, die frech verlauten lässt, dass der Intellekt einiger Menschen nicht ausreiche, um die Botschaft der Werbekampagne zu verstehen. Das suggeriert Ihnen als Kunden, dass true fruits sich niemals derart besser stellen würde und weiß Gott nicht glaubt, dass Sie, als potenzieller Kunde, zu dumm für diese Werbekampagne wären.
Achja, erinnern Sie sich noch an die ersten beiden Zitate?…

Des Weiteren werden wir gefragt, warum wir uns als Unternehmen in gesellschaftspolitische Themen einmischen. Ganz einfach: Wir sind auch eine Summe von Menschen mit Meinungen.

…und eine Summe von Menschen mit Marketingideen auf dem Rücken (Neudeutsch: Nacken) Hilfsbedürftiger.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn man ein tatsächliches Interesse am Leid der Flüchtlinge zeigen würde, ohne das eigene Produkt und den eigenen Markennamen plakatieren würde? Im verwendeten Plakatdesign steht der jedenfalls immer noch im Mittelpunkt.
Und zeitliche Nähe zum Verkaufsstart in Österreich ist natürlich auch nur dem Zufall geschuldet…

Wir als kleiner Saftladen haben es mit einer einzelnen Aktion geschafft, derartige Themen in den Fokus der Menschen zu rücken. Wir fragen uns also: Wozu wären dann erst große Konzerne mit deutlich größeren Budgets in der Lage? Diese Unternehmen besitzen eine verdammt große Macht, haben leider nur keine Eier sich für ihre Ansichten aus dem Fenster zu lehnen.

Zum Schluss erreicht das scheinheilige Ablenken auf die Humanität, die sich ja eigentlich hinter der Kampagne verstecken soll, den Höhepunkt. Das eigene Unternehmen schnell als klein, niedlich und putzig darstellen, gepaart mit einem sympathischen Negativwortspiel (“Saftladen”), der zeigt, dass man sich selbst ja gar nicht wichtig nimmt und der Botschaft, dass große Unternehmen keine Meinung zu dem Thema nach außen tragen. Das soll Sympathien zurückgewinnen und gleichzeitig eine Werbekampagne endgültig als gesellschaftspolitischen Aufruf legitimieren.

Liebes “true fruits”,

es ist nicht euer nicht vorhandener Rassismus, der enttäuscht. Es ist die Perversität, mit der man ein Thema, dass mit extrem viel Leid verbunden ist, in seine Geschäftsinteressen mit einbezieht und daraus versucht Kapital zu schlagen.
Es ist die Art und Weise, wie Ihr andere für blöd verkauft, wenn Ihr euch so rechtfertigt, wie ihr es getan habt.
Oder wenn Ihr Kritiker als “dumm” bezeichnet und im nächsten Satz sagt, dass Ihr euch niemals dazu herablassen würdet und nicht glaubt, dass eure Kunden zu dumm wären eure Botschaft zu verstehen, nur um euren Hintern zu retten.
Provokante Botschaften, auch mit schwarzem Humor oder Zynismus, sind nicht das Problem und stehen nicht im Fokus der Kritik, die euch entgegen weht.
Es ist eure Vereinnahmung eines sehr sensiblen Themas für die Vermarktung.

Und genau das ist furchtbar… schade.

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